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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 11.04.2019


Alles ist gut. Ab 28.03.2019 auf DVD
Saskia Balser

In ihrem mehrfach ausgezeichneten Debütfilm erzählt Eva Trobisch auf einfühlsame und beklemmende Weise die Geschichte einer jungen Frau, die nach einer Vergewaltigung an der Vorstellung festzuhalten versucht, es wäre nichts geschehen. Protagonistin Janne, gespielt von Aenne Schwarz, wehrt sich vehement dagegen, von ihrer Umwelt als Opfer wahrgenommen zu werden.




Das Schicksal scheint es gut mit Janne, gespielt von Aenne Schwarz, zu meinen, als sie nach der Insolvenzanmeldung ihres Verlags überraschend ein Stellenangebot als Cheflektorin von einem Bekannten erhält.
Positiv gestimmt nimmt Janne an einem Klassentreffen teil, wo sie neben früheren Klassenkamerad*innen auch Martin trifft, mit dem sie einen gemeinsamen Bekannten zu haben scheint. Nach einer langen Nacht entscheidet Janne kurzerhand, dass sie ihn bei sich auf der Couch übernachten lässt, da die beiden sehr viel getrunken haben. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen.

Mit der Bemerkung "Du riechst gut." seitens Martin beginnt eine äußerst unangenehme Szene, von der sich die Zuschauer*innen wohl dauerhaft wünschten, sie möge endlich zu Ende sein. Schonungslos nah gefilmt entwickelt sich diese Begegnung zweier betrunkener Menschen von freundschaftlich, über aufdringlich, zu übergriffig.

"Lass´ mal schlafen." – "Lass´ mal küssen"

Als sich Janne von Martin loszureißen versucht, wenn dieser versucht, sie gegen ihren Willen zu küssen, schlägt sie sich den Kopf auf. Martin entschuldigt sich, fährt jedoch mit seinem Verhalten fort, hält sie fest und zwingt sie schließlich zum Sexualverkehr. Nachdem es vorbei ist, lässt er eine sichtlich verstörte Janne zurück. Sie wirkt verwirrt, als wisse sie nicht, wie sie das, was gerade passiert ist, einzuordnen soll. Und wie sie jetzt damit umgehen wird.

Nein heißt Nein

Als wäre nichts gewesen lebt Janne ihr Leben weiter. Ihrem Chef antwortet sie auf die Frage "Wie war es gestern?" ausweichend. Als ihre Mutter ahnt, dass etwas nicht stimmt und fragt "Was hat er gemacht?" antwortet Janne bloß "Nichts, ich kann mich schon wehren" und spielt das Geschehene herunter – auch ihrem Freund Piet gegenüber.

Regisseurin Eva Trobisch begründet dieses Verhalten folgendermaßen: "Einerseits passt es schlicht nicht in ihr Selbstbild, sich einen Typen nicht vom Leib halten zu können. Das Stereotyp eines solchen Opfers, gegen das ja erfreulicher Weise nun schon seit einiger Zeit angekämpft wird, ist nun einmal die hilflose, gedemütigte und nachhaltig traumatisierte Frau. Das alles will Janne diesen eineinhalb Minuten schlechtem Sex gar nicht zugestehen. Sie weigert sich einfach dieser maximal unspektakulären Aktion Raum und Macht über sie zu geben."

"Alles in Ordnung? Sicher?"

Bei Zusammentreffen mit Martin reagiert Janne daher äußerlich gelassen und beteuert immer wieder: "Es ist alles gut." Obwohl es das offensichtlich nicht ist. Ihre Beziehung zu Piet leidet stark unter dem Unausgesprochenen und es wird zunehmend deutlich, wie alleine Janne mit der Last ist, die sie trägt. Um auf keinen Fall als Opfer gesehen zu werden, behält sie das Geschehene als Geheimnis für sich und ist unfähig, Hilfe von außen anzunehmen.

Schluss mit dem Opferdiskurs

Die junge Regisseurin Eva Trobisch hat mit ihrem ersten Spielfilm den Nachwuchspreis beim Locarno Festival und u.a. den renommierten Förderpreis Neues Deutsches Kino beim Filmfest München gewonnen und zugleich zur Sichtbarmachung des gesellschaftlichen Problems von Vergewaltigung und dem daran angeknüpften Opferdiskurs beigetragen.
Für Trobisch ist es wichtig, deutlich zu machen, dass es in "Alles ist gut" nicht um diese eine Nacht ging, die einen falschen Abzweig nimmt, sondern um die Folgen und den Umgang der Beteiligten damit.
Und das ist es auch, was sie sich wünscht, "dass das auch denjenigen, die solche Straftaten erleben, zugestanden wird: Dass sie mehr sind als ein Opfer."

AVIVA-TIPP: "Alles ist gut" verhandelt auf bedrückende und gleichzeitig zugängliche Art und Weise ein Thema, das leider noch immer aktuell ist. Obwohl vorher geschrieben und gedreht, steht "Alles ist gut" demnach in direktem Zusammenhang mit der #metoo-Debatte von Oktober 2017 und könnte zeitgemäßer nicht sein.

Zur Regisseurin: Eva Trobisch, 1983 in Berlin geboren, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Filme in München. Ihre Kurzfilme wurden auf zahlreichen nationalen und internationalen Filmfestivals preisgekrönt. Außerdem war Trobisch Gaststudentin im Fach Dramaturgie an der New Yorker Tisch School of the Arts und begann 2015 einen Master-Studiengang im Fach Screenwriting an der London Film School. Dort entstand auch das Drehbuch zu ihrem HFF-Abschlussfilm "Alles ist gut".
Ihre vollständige Filmografie ist nachzulesen unter: www.crew-united.com

Zur Hauptdarstellerin: Aenne Schwarz, 1983 in Baden-Württemberg geboren, hat an der FU in Berlin Literatur- und Religionswissenschaften studiert und schon zu Studienzeiten nebenbei im Theater gearbeitet. Heute ist sie ein festes Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und war im Kino zuletzt als Lotte Zweig in "Vor der Morgenröte" zu sehen. Für ihre Rolle der Janne wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Alles ist gut
Deutschland, 2018
Regie und Drehbuch: Eva Trobisch
Darsteller*innen: Aenne Schwarz, Andreas Döhler, Hans Löw, Tilo Nest, Lisa Hagmeister, Lina Wendel u.a.
Kamera: Julian Krubasik
Produzentin: Trini Götze
Produzent: David Armati Lechner
Schnitt: Kai Minierski
Produktionsfirma: TRIMAFILM
Kinostart: 27. September 2018

DVD Facts
Inhalt: Hauptfilm & Kinotrailer
Verleih: NFP
EAN: 4009750259184
Best.Nr.: 259183
Ton: Dolby Digital 5.1
Sprachen: Deutsch, Hörfilmfassung für Sehgeschädigte
Untertitel: Englisch, Deutsch für Hörgeschädigte
Bild: 16:9 (1:2,39)
Länge: 90 Minuten
FSK: 12 Jahre
VÖ-Datum: 28.03.2019
Weitere Infos zum Film und der Trailer unter: www.allesistgut-derfilm.de

Was tut sich – im deutschen Film? Regisseurin Eva Trobisch im Gespräch mit Journalist Ulrich Sonnenschein über "Alles ist gut" (2018): www.youtube.com

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Beitrag vom 11.04.2019

AVIVA-Redaktion